Liebe & Anarchie
Jan Kosyk
deu eng

Frau Orosz, Kultur lässt sich nicht einkaufen

Am Montag nahm eine neue Kulturstiftung in Dresden ihre Arbeit auf. Oberbürgermeisterin Helma Orosz feiert die Stiftung Kunst & Musik für Dresden als Institution, „die zeitgenössische Kunst und Musik in Dresden dauerhaft fördert“.

Ich habe mich erstmal gefreut, dass nun endlich auch mal die Kulturschaffenden gefördert werden, die eine Stadt mit ihren kleinen und großen Aktivitäten prägen. Quasi ein Plus für die Vielfalt, weg von der barocken Monokultur. Leider weit gefehlt.

„Die Förderung von hoch talentierten Nachwuchskünstlern sehen wir als eine wichtige Aufgabe an. Darüber hinaus ist es ausdrückliches Ziel unserer Stiftung, hochrangige Künstler und also aktuelle kulturelle Trends in unsere Stadt zu holen.“, lässt die zum Vorstand bestellte Martina de Maizière verlauten. Es geht wieder nicht darum, Dresdens Kulturlandschaft endlich für freie Künstler zu öffnen, sondern weiter (Steuer-)Geld für große Nummern herauszuwerfen, in deren Genuss nur ein Bruchteil der Dresdner kommt.

Bezeichnend ist auch die Zusammensetzung des Stiftungsrates: dem Dienstleistungsunternehmen Dussmann Stiftung & Co. KGaA und der Bertelsmann SE & Co. KGaA stehen die Abteilung Kultur und Kommunikation des Auswärtigen Amtes und der Direktor des Victoria and Albert Museums London gegenüber. Das ist zwar verständlich, wenn die „Stiftung […] privates Engagement […] bündeln und ein […] Netzwerk für zeitgenössische Kunst, Musik und kulturelle Bildung in Dresden etablieren“ soll, aber erweckt nicht den Eindruck von Kulturförderung, sondern eher von Geldakquise zur klüngelhaften Umverteilung. Ganz dafür spricht auch, dass die „Stiftung […] kein festgelegtes öffentliches Antragsverfahren durchführen [wird], sondern von sich aus Projekte, Künstler und Institutionen“ anspricht. Pfui!

Dabei wäre eine breite Förderung der freien Kunst- und Kulturszene langsam dringend nötig, um eine weitere Abwanderung von Künstlern zu verhindern. Der vergangenes Jahr gegründete Branchenverband der Kultur- und Kreativwirtschaft vernetzt bereits zeitgenössische Kreative mit der Wirtschaft; da braucht es keine „hochkarätig besetzte“ Elfenbeinturm-Stiftung. Die kürzlich ins Leben gerufene Interessengemeinschaft Freiräume – ein Verband vieler Initiativen, die eine Brutstätte für Kunst und Kultur sind – schreit heraus, woran es in der Stadt fehlt. Jedenfalls nicht an einer neuen Stiftung. Selbst die Grünen sind inzwischen auf den Trichter gekommen. Und die Piraten Dresden haben ein umfassendes Kulturprogramm aufgelegt, dass solche Elfenbeintürme verhindert und den eigentlichen Kulturschaffenden Rechnung trägt.

Daher, Frau Orosz, wenn das Geld doch so locker sitzt, dann öffnen Sie die Augen für diese Stadt und fördern Sie dort, wo es nötig ist. Man kann Kultur durchaus einkaufen, fest verwurzeln wird diese aber nicht. Da freue ich mich dann darauf, welche Idee nächstes Jahr von Ihnen kommt, wenn die Stiftung doch nur Geld umverteilt und Dresden nicht bekannter wird. Verpatzte Kulturprojekte solls ja geben.

Nachtrag: Die Idee scheint schon um eingies älter zu sein. Und damals klang sie auch noch wirklich gut: „Wir wollen verhindern, dass Künstler aus Dresden abwandern.“ Ziel verfehlt, sechs, setzen.

Update: Und fröhlich nieder mit der freien Kultur. „Touristen fühlen sich von den Darbietungen belästigt und beschweren sich.“ Gut, dann möchte ich bitte ab sofort auch eine Erlaubnis für Touristen. Da gehen mir nämlich auch einige auf den Zeiger.

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