Liebe & Anarchie
Jan Kosyk
deu eng

Brief an Frau Orosz

Folgender Brief ging bereits am Wochenende an die Oberbürgermeisterin und wurde uns zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Denkt daran, die Petition zu unterschreiben.

Sehr geehrt Frau Orosz,

heute bin ich an der Mitte meines kurzen Urlaubs in Dresden angekommen. Dresden ist eine wunderschöne Stadt und hat vieles zu bieten. So habe auch ich vieles gesehen: Dazu gehören natürlich die Klassiker, wie die Frauenkirche, die Semperoper oder die Kreuzkirche. Auch die ein oder andere Ausstellung wie die alten Meister, das Hygienemuseum und das mathematisch-physikalische Museum (was ich besonders interessant fand) gehörten dazu. Aber auch einfach das Flanieren durch die großen Plätze und Straßen der Stadt und vor allem durch die etwas vom Tourismus abseits gelegenen Straßen und Gassen macht bisher viel Spaß. Eines viel mir positiv auf: Gerade auf den belebten Plätzen weilte der ein oder andere Straßenmusiker oder Kleinkünstler, der sein Programm dargeboten hat. Da war z. B. ein Gitarrenspieler, ein fantastischer Xylofonspieler, ein weniger begabter russischer Sänger (über Geschmack lässt sich streiten) oder eine lebende Statur. Doch der Höhepunkt kam heute Abend: Vor der Frauenkirche boten einige Feuerkünstler eine absolut fantastische Show da. Doch diese wurde mitten drin, und das ist der Grund warum ich Ihnen noch heute Abend schreibe, unterbrochen. Die Künstler machten in dieser Unterbrechung deutlich, dass die Stadt Dresden ihnen die Auftrittsbedingungen so erschweren will, dass es für sie nicht mehr möglich ist, vernünftig ihre Darbietung zu unterbreiten. Die Stadt Dresden hat eine neue Verordnung erlassen, die durch zahlreiche Einschränkungen den Künstlern das Leben schwer macht.

Dieses ist für mich absolut unverständlich. Warum ist dieses so? Welche Gründe gibt es? Ja, auch ich habe bei den Künstlern eine halbe Stunde verweilt und bin dadurch erst etwas später durch die „Freßgassen“ von Dresden gezogen, doch es kann doch nicht sein, dass Sie alles dem Kommerz unterordnen, oder? Den Charme einer Stadt wie Dresden macht es eben auch aus, dass nicht alles zu 100% auf Wirtschaftlichkeit ausgelegt ist und dass gerade auch Kleinkünstler das Leben bereichern. Klar, wie ich gerade geschildert habe, bin auch ich einige Minuten später in die Gastronomie eingekehrt und vielleicht habe ich wirklich ein Bier weniger getrunken. Doch ich überlege mir durchaus, ob ich wiederkomme. Der „Gewinn“ ist dadurch für die Stadt viel größer, als das eine Bier, was ich weniger getrunken habe. Nach München, eine Stadt, die ich auch besucht habe, werde ich z.B. für einen Kurzurlaub nicht mehr fahren. München ist schön, ohne Frage. Doch die Stadt ist klinisch so rein und so schön, ohne Bettler, ohne Straßenmusiker und ohne Flaschensammler, dass diese Sterilität abstoßend wirkt. Lassen Sie Dresden im Ordnungswahn nicht so ersticken, wie es München gemacht hat! Über eine Antwort, dass Sie mein Anliegen ernst nehmen, würde ich mich freuen. Noch mehr freuen würde ich mich, wenn Sie die Verordnung zurücknehmen. Sollte dieses der Fall sein, schreiben Sie mir, ich komme dann im nächsten Sommer wieder und sehe mir dann die ganze Feuershow vor der Frauenkirche an und versprochen, ich trinke trotzdem mein Bier in der Freßgasse.

Mit freundlichen Grüßen

Gockel

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