Letztens stolperte ich über eine Tweet, der darüber berichtete, dass die Bundesagentur für Arbeit 60 Mio. EUR in einem IT Projekt versenkt hat. Daraus folgte eine Diskussion, dass das Studium der Informatik in Deutschland unzulänglich sei. Da es sich in 140 Zeichen nicht so schön argumentiern lässt, möchte ich meine grundsätzlichen Gedanken hier noch einmal wiedergeben und auf die gefallenen Argumente eingehen.
Da sage noch mal einer, Kommunikation sei bei Informatik weniger wichtig als das Programmieren.
Das die Kommunikation in der Informatik ausgebaut werden kann, ist unstrittig. Viel zu sehr liegt der Fokus auf natur- und ingenieurswissenschaftlichen Themen, mehr geisteswissenschaftlicher Einfluss täte der Informatik gut. Jedoch geht es im Studium nicht ums Programmieren, es gibt in keinem mir bekannten Informatikstudium an einer Universität die Vorlesung „Programmierung“. Wohl werden meist fakultative Praktika dazu angeboten und es gibt Fächer zur Softwareentwicklung. Diese sind aber theoretisch und behandeln nicht das Erlernen einer Programmiersprache.
Die Kernkompetenz, Fachanforderungen richtig zu verstehen, wird kaum gelehrt.
Das Verständnis fremder Fachrichtungen wird tatsächlich in der Informatik nicht gelehrt – einfach weil es den Rahmen sprengen würde, da Nebenfächer in Jura, Medizin, Verwaltung, Wirtschaft etc. pp. notwendig wären. Deshalb gibt es auch so schöne Fächer wie Wirtschaftsinformatik – meist an Fachhochschulen angeboten – die die Brücke zwischen Wirtschaft und Informatik schlagen sollen.
Allerdings lässt sich der Vorwurf, Fachanforderungen nicht zu verstehen, auf die meisten Studiengänge anwenden. Es gibt Menschen, die fordern Informatik in jedes natur- und ingenieurswissenschaftliche Studium aufzunehmen.
Eine Uni sollte keine Absolventen hervorbringen, die am Bedarf vorbeigehen, immerhin bleiben die wenigsten in der Wissenschaft.
Als ich das las, zog es sich in mir zusammen. Als alter Hörsaalbesetzer und Protestierer gegen die Bolognareform haben Worte wie „Bedarf“ und „Universität“ einen sehr faden Beigeschmack. Ich verstehe, dass es Fachkräfte braucht, allerdings sollten diese nicht unter Bedarfszwang an Universitäten ausgebildet werden. Die deutsche Bildungslandschaft bietet seit Jahrzehnten eine Vielzahl Ausbildungsmöglichkeiten: Fachhochschulen, Berufsakademien, duales Studium und Berufsausbildungen. Alle diese Bildungswege sind praxisorientiert und bringen gute Entwicklerinnen und Entwickler hervor. Der Universität sollte ein wissenschaftlicher Anspruch bleiben auch mal ins Blaue hinein zu bilden, nicht zuletzt weil es das Grundgesetz in Artikel 5, Absatz 3 so will.
Man stelle sich vor, ein Medizinstudium an einer Uni befähige nicht zum Behandeln von Menschen, weil es dafür nicht gedacht ist.
Bei diesem Argument musste ich länger überlegen, bis es mir auffiel: Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Es ist richtig, dass ein Medizinstudium dazu befähigen muss, Menschen zu behandeln. Hier ist es aber auch genau das Ziel des Studiums und es gibt keine Alternativen an FHs, BAs oder gar als Ausbildung. Deshalb lässt sich das Informatikstudium eher mit einem Biologiestudium vergleichen. Eine Biologin weiß auch wie der menschliche Körper funktioniert – eine Herz-OP würde ich von ihr dennoch nicht durchführen lassen. Genausogut weiß eine Informatikerin, wie Anwendungen aufgebaut sind und entwickelt werden – theoretisch.
IT-ler sollen funktionierende Anwendungen entwickeln können.
Tja, ITler sind selten fertig ausgebildete Informatikerinnen und Informatiker. Für Software-Projekte, die danach funktionieren sollen, sind Uniabsolventinnen und -absolventen nicht die beste Wahl. Schauen wir uns die Softwareentwicklung in der Praxis an, stellen wir fest, dass es generell keine gute Idee ist, unerfahrene Programmiererinnen und Programmierer damit zu betrauen. Erfahrung in der Softwareentwicklung ist ein unschätzbares Gut und entscheidet über Erfolg und Misserfolg. Und mit der Erfahrung kommt auch die interdisplinäre und Fachkommunikation.
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