Liebe & Anarchie
Jan Kosyk
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Der gesteuerte Krawall? – Ein Leserkommentar

Gestern erschien ein Artikel in der Sächsischen Zeitung, dessen Autor Alexander Schneider wohl noch Praktikant bei der SäZ ist. Andernfalls würde ich der SäZ ans Herz legen, diesen Journalisten mit Klatsch & Tratsch zu betrauen. Der Schreibstil sowie die Argumentation seines Artikels passen nur dort hin, jedoch nicht zu einem so heiklen Thema wie die Prozesse um den 19. Februar 2011.

Mir rollt es ob des Sachsensumpfes schon wieder die Fußnägel hoch. Aber auch der Autor will hier offensichtlich Stimmung gegen Menschen machen, die sich aus Überzeugung menschenverachtenden Demonstrationen in den Weg stellen und rechte Ideologien und Geschichtsrevisionismus von der Straße verbannen.

Der gesteuerte Krawall

Wie wäre es mit einem Fragezeichen? Oder einer ergänzenden Wortgruppe. Immerhin wird das folgende kein Tatsachenbericht.

sollen Gewalttaten autonomer Schlägertrupps gezielt gesteuert worden sein

Eindeutiger Sprachduktus: Nicht nur Gewalttaten (wie wärs mit Straftaten?), sondern auch noch autonom, Schläger und Trupps. Immerhin geht’s um ein “sollen worden sein”.

Ein Mann lotste mit seinem Handy Täter zu Orten,

Ein Satz später nicht’s mehr mit “soll” und “sein”. Hier erweckt der Autor den Eindruck, dass es sowohl einen Koordinator, ein Handy und Täter gab. Da das immer noch Mutmaßungen der Staatsanwaltschaft sind, ist das zumindest ungeschickt.

Noch am Abend jenes Sonnabends stürmte das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei das Haus. 21 Männer und Frauen wurden festgenommen, Handys und Computer sichergestellt.

Hier kann ruhig erwähnt werden, dass dieser Einsatz rechtswidrig war. Eine einfache Recherche im eigenen Archiv hätte genügt: Polizeiaktion gegen linken Förderverein war rechtswidrig.

Der Mann, dessen Handy den ganzen Tag über abgehört wurde, war jedoch schon verschwunden.

Ja, oder er war nie dort gewesen, zumal ja die Durchsuchungsanordnung für ein anderes Haus ausgestellt wurde.

Nach jahrelangen Ermittlungen hat die Polizei den Unbekannten offenbar gefunden.

Nein, die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage. Ob die Vorwürfe gegen Raiko P. aus Berlin tatsächlich stimmen und ob er der “Unbekannte” ist, weiß zur Zeit niemand. Es ist noch nicht einmal sicher, dass es den “Unbekannten” Koordinierer überhaupt gab.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm nun Landfriedensbruch vor.

Witzig: Ein Mensch sitzt in einem Haus, und begeht dabei Landfriedensbruch. So passiv halt. Aufruf zu Straftaten hätte ich ja noch verstanden. Jaja, der Sachsensumpf…

Demonstranten der links- und der rechtsextremen Szene mit der Polizei.

Davon mal abgesehen, dass “extrem” immer noch kein juristisch festgeklopfter Begriff ist und alles von Sitzblockaden bis zu Autoanzünden sein kann (oder eben auch nicht), wird hier immer noch der Fehler begangen, links und rechts in eine Ecke zu stellen. Das sollte einem Journalisten spätestens seit dem Bekanntwerden des NSU nicht mehr passieren.
In Bezug auf Dresden: Während die einen den Mythos um Dresden und Deutschland als Opfer aufbauen wollen und Millionen Tote damit verhöhnen, stellen sich die anderen auf die Straße, um diesem Blödsinn Einhalt zu gebieten.

dutzendfach durchbrachen Störer Polizeisperren

Immerhin bleibt Schneider seinem Sprachstil treu: Ein unbelegtes “dutzendfach” hier, ein kleines “Störer” da und natürlich wurden Polizeisperren “durchbrochen”. Wer sich an den Gegendemonstrationen je beteiligt hat, weiß, dass Polizeisperren schwer bis unmöglich zu durchbrechen sind. Was tatsächlich der Fall ist: Das Verwaltungsgericht genehmigte 3 Nazidemos und hat es damit der Polizei unmöglich gemacht, diese abzusichern.

Neben friedlichen Blockierern […] ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Hunderte Gewalttäter, die Steine auf Polizisten warfen, Autos demolierten, Barrikaden anzündeten, eine Polizeiwache angriffen und Ähnliches.

Lieber Alexander Schneider, im Zusammenhang mit dem 19.02.2011 ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht gegen Hunderte Gewalttäter, sondern gezielt gegen Einzelpersonen, denen Landfriedensbruch, Rädelsführerschaft oder Aufruf zu Straftaten angehangen wird, aber keine Gewalttat. Und das alles in einem Satz mit “Blockierern” zu bringen, suggeriert, dass nur die bösen Gegendemonstranten für die ganzen Krawalle verantwortlich sind. Die BILD hätte es nicht besser machen können.

Der Vorwurf planmäßig organisierter Gewaltakte, lokalisiert in einem Gebäudekomplex, in dem sich auch die Zentrale der Linkspartei befindet, stellt eine neue Qualität der Ausschreitungen dar.

Wo haben Sie denn schreiben gelernt? Ich verkürze diesen Satz mal auf seine inhaltliche Aussage: “Der Vorwurf stellt eine neue Qualität der Ausschreitungen dar.” Das ein Vorwurf Ausschreitungen darstellt ist mir neu. Nicht neu ist allerdings, dass dieser Vorwurf zur Gängelei und den Hirngespinsten der Staatsanwaltschaft in Bezug auf den 19. Februar 2011 passt.

Politiker, darunter Katja Kipping, die Dresdner Bundesvorsitzende der Linken

Dresdner Bundesvorsitzende? Gibt es noch Bundesvorsitzende aus anderen Städten? Wieviele Bundesvorsitzende hat die Linke?

bestritten noch am Abend nach dem SEK-Einsatz diesen Verdacht entschieden. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Woran hat sich nichts geändert? Am Verdacht? Oder das es bestritten wird? Ich verweise hier nochmal auf Polizeiaktion gegen linken Förderverein war rechtswidrig. Es ist wichtig zu sagen, dass die Vorwürfe nicht haltbar sind und keine Beweise sichergestellt wurden. Sowas muss doch ein Journalist bringen.

Hinweise darauf erhielten die Ermittler nach SZ-Informationen auch über ein anderes Verfahren gegen Mitglieder der sogenannten Antifa-Sportgruppe – Autonome

Warum wird auch hier das wichtigste nicht erwähnt: Dieser Prozess ist eine Farce und es konnte keine Antifa-Sportgruppe festgestellt werden.

In einem Bus saß noch der Fahrer, als die Täter bis zu 1,9 Kilogramm schwere Steine in die Frontscheibe warfen.

Junge, das behauptet die Staatsanwaltschaft, es ist keine Tatsache. “Sie sollen Steine geworfen haben”, nicht “sie warfen Steine”.

Diesen Angriff etwa habe Raiko P. befohlen – der Mann, dessen „Gewalthandy“ in dem Haus an der Großenhainer Straße geortet wurde.

Nein. Es wurde ein Handy geortet. Ob dieses Handy Raiko P. gehört und ob es in dem Haus geortet wurde, ist unklar.

Auf seinem „sauberen“ Handy hatten sich angeblich mehrere Schlägertrupps – mit sauberen Handys – angemeldet

Schlägertrupps? Schläger? Und Trupps? Merkste selbst, oder.

Nach SZ-Informationen mit Anweisungen wie „macht dort mal Remmidemmi“.

Nach meinen Informationen haben Sie, Herr Alexander Schneider, nie Journalismus studiert und schreiben eigentlich die Horoskope in der Morgenpost. Wie, ich muss das belegen? Nö, machen Sie ja auch nicht.

Lothar Haase: „Es ist schwer vorstellbar, dass andere in dem Haus das nicht mitbekommen haben.“

Nö, ist es nicht. Nur mal angenommen, dass Raiko P. das ihm Vorgeworfene gar nicht begangen hat, kann auch niemand was mitbekommen haben. Das ist das schöne an diesen Suggestivsätzen: Es lassen sich Behauptungen aufstellen, die eine falsche Grundaussage als Fundament nehmen. Muss dann halt aufgepasst werden, dass die Grundaussage in Zweifel zu ziehen ist und nicht über das daraus Folgende debattiert wird.

Lieber Herr Alexander Schneider, bitte wechseln Sie den Beruf oder zumindest das Resort. Das ist alles hochnotpeinlich. Die SäZ hat ja nun schon häufig über den 19. Februar 2011 berichtet, da hätten Sie sich mal kurz belesen können. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass die Staatsanwaltschaft seit Jahren auf Krampf versucht, Prozesse gegen Gegendemonstranten anzustrengen, bisher wenig erfolgreich. Als kleiner Anstoß für eine umfassende Recherche:

Kommentare

  1. Horst sagt:

    Man kann ja von dem Aritkel und Autor halten was man will.

    Dass von „links“ gezielt Polizeisperren durchbrochen wurden, belegen Fotos, sowie Videos der Tagesschau. Das verharmlosende „durchfließen“ der Polizeikette, das gerne von linker Seite und selbst auf Zeit.de zitiert wurde, ist dabei eine maßlose Unterbreitung und falsche Darstellung der Sachverhalte in der Südvorstadt am 19.02.2011. Was die fehlenden Relativierungen und ansonsten sehr tendenziöse Schreibe angeht, mögen sie in vielen Punkten Recht haben. Aber bitte das Thema nicht verharmlosen – was in der Südvorstadt abging, hatte an einigen Punkten mit friedlichem Protest nichts tun.

    1. Jan sagt:

      Ich gebe Ihnen recht, dass eine Verharmlosung des Sachverhaltes ebendsowenig zielführend ist. Jedoch auch hier der Hinweis: „Dutzendes“ Durchbrechen von Polizeiketten – also „Durchbrechen“ im Wortsinne – gab es nicht. Videos und Fotos vom 19.02.2011 zeigen auch meist dieselbe Szene.

      Was es aber gab, waren große Lücken in der Absicherung durch die Polizei, bedingt durch die 3 vom Verwaltungsgericht genehmigten Naziaufzüge. Da kam es dann logischerweise dazu, dass Polizeiketten umgangen wurden. Das allerdings reißerisch als „durchbrechen“ zu bezeichnen, geht mir einfach zu weit.

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